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HRV messen – warum und wie messen? Was sagt mir der HRV Wert?

Keyfacts:

  • HRV steht für Herzratenvariabilität
  • wird haupsächlich durch die Aktivität des Parasympathikus und damit stellvertretend dem Nervus vagus repräsentiert
  • objektive Messung erfolgt nichtinvasiv über EKG (Kurzzeit 5min Messung oder Langzeit 24h Messung möglich)
  • der vielzitierte „HRV Wert“ ist ein Parameter aus einer Vielzahl von Werten der aus der statistischen Auswertung der Messung resultiert und ist von vielen Einflussfaktoren abhängig; tendenziell: je niedriger desto schlechter steht es um den Gesundheitszustand
  • HRV ist ein, wenn nicht der Marker für physische & psychische Gesundheit

Nun in etwas ausführlicher Form:

Dazu müssen wir erstmal auf das vegetative Nervensystem eingehen…

Was ist das vegetative Nervensystem?

Unser vegetatives Nervensystem ist autonom und damit nicht willentlich zugänglich, unterliegt also nicht unserer Kontrolle. Es besteht grundsätzlich aus dem Sympathikus und dem Parasympathikus. Zusätzlich und als eigenständiges Nervensystem betrachtet ist das sog. „Darmhirn“, das enteritische Nervensystem.

Unsere physische & psychische Gesundheit und sogar unsere Lebenserwartung hängen in sehr starkem Maße vom Zustand unseres vegetativen Nervensystems ab, wie auch die neuste Forschungsrichtung – die klinische Psychoneuroimmunologie mit aktuellen Studien beweisen kann.

Wo in unserem Körper finden wir Parasympathikus und Sympathikus?

Die beiden Gegenspieler Sympathikus (Anspannung, Stress, Aktivierung) und der Parasympathikus (Entspannung, Regeneration, Erholung) sind Nervengeflechte, die den gesamten Körper durchziehen. Dabei ist der „Entspannungsplexus“, repräsentiert durch den sogenannten Vagus Nerv, vor allem im Hirnstamm und dem Rückenmark zu finden (craniosacral).

“Das vegetative Nervensystem des Menschen. Das Schema zeigt eine Auswahl von Zielorganen sowie die antagonistische Wirkungsweise von Sympathikus und Parasympathikus.” von Geo-Science-International. Lizenz: CC BY SA 4.0

Der heutige Mensch mit seinem 40h+ Job und der ständigen Flut an Informationen zeigt zumeist ein Ungleichgewicht im vegetativen Nervensystem mit einer starken Ausprägung des „antreibenden Teils“ (Sympathikus). Die stetig wachsende Anzahl an Studien belegt, dass eine solche Dysbalance eine wesentliche Rolle bei der Entstehung von Pathologien einnimmt. Allen voran chronische Erkrankungen und Autoimmungeschehen bis hin zu Bluthochdruck, Verkalkungen und den dadurch entstehenden Infarkten (Herz & Hirn) sowie Diabetes mellitus und Demenz.

Um es auf den Punkt zu bringen: chronische Erkrankungen entstehen durch eine dauerhafte Schwächung des Parasympathikus.

Selbst Emotionen und die mentale Stärke sind abhängig von einem starken Vagus. Ein Ungleichgewicht zu Gunsten des Sympathikus und einer Reduzierung der parasympathischen Aktivität begünstigt Depressionen, Schlafstörungen, Angst- und Panikstörungen bis hin zum Burnout. Ebenso führt dies zu einer Abnahme der Resilienz (Widerstandskraft) wenn sie sich in Belastungssituationen oder auch danach befinden.  

Der Vagusnerv hat mittlerweile für viel Wirbel in der (Fach-)literatur gesorgt. Vagus Meditationen und spezielle Vagus Yoga Specials werden beschrieben aber auch komplette Bücher über ihn sind erhältlich in denen er als Selbstheilungsnerv betitelt wird. Wissenschaftliche Publikationen zeigen in der Tat dass er unser Immunsystem stärkt, Entzündungen hemmt, Hormone regeneriert, für eine gute Sexualfunktion und für erholsamen Schlaf sorgt.

Wie wird die Diagnose „Dysbalance“ bzw. „schlechte HRV“ gestellt?

Zur Früherkennung eines Ungleichgewichts bedient man sich der Herzratenvariabilität (HRV). Sie ermöglicht uns den Zustand des vegetativen Nervensystems zu messen.

Grundlage für die Messung ist ein EKG – es werden die Abstände zwischen den sogenannten R-Zacken im EKG bestimmt. Es erfolgt also eine Bestimmung der elektrischen Impulse und nicht des Pulses bzw. Herschlags an sich. Je variabler diese sind (und damit je variabler das System auf äußere und innere Einflüsse reagiert) umso besser ist der physische und psychische Gesundheitszustand.

Wenn nun der Parasympathikus aktiv ist, reguliert sich der Herzschlag im Takt mit der Atmung. Diese Kohärenz wird als respiratorische (atemabhängige) Sinusarrhythmie (RSA) bezeichnet.

Einen ersten Einblick in den Zustand des vegetativen Nervensystems und damit den Stresslevel gibt eine 5 Minuten Kurzzeitmessung. Im Anschluss wird der Parasympathikus wie bei einem Bremstest fürs Auto noch einem 1 minutigen Test unterzogen, wo eine ruhige und gleichmäßige Atmung vorgegeben wird (RSA Messung). Dabei sollte sich die HRV aufgrund des Einflusses der ruhigen und gleichmäßigen Atmung verbessern.

Die Ergebnisse werden durch aufwendige statistische Berechnungen ermittelt und im Vergleich zu Daten von Menschen gleichen Alters dargestellt (die HRV ist alters- und geschlechtsabhängig).

In den folgenden Abbildungen sind beispielhafte Ergebnisse für einen eher eingeschränkten vegetativen Zustand und für einen sehr guten Zustand dargestellt.

Kurzzeit-HRV Messung mit gutem Gesundheitszustand (Abb. links) bzw. eher eingeschränktem vegetativem Nervensystem (Abb. rechts)

Die nun folgenden Abbildungen zeigen Messungen einer Langzeit (24h) HRV. Diese bietet den entscheidenden Vorteil dass sowohl der komplette Alltag (und damit die aufkommenden Stressoren) als auch die Nacht und damit der Schlaf und seine Qualität (Regeneration) beurteilt werden kann. Hier zeigt sich des Öfteren dass das subjektive Erleben (gefühlter Stresspegel im Alltag aber auch die gefühlte Qualität des Schlafs) nicht mit dem objektiv gemessenen Zustand des Nervensystems korreliert.

Langzeit-HRV Messung mit starkem Lebensfeuer und ausgeprägter Schlafarchitektur

Langzeit-HRV Messung mit eingeschränkterem Lebensfeuer, jedoch deutlich sichtbarer Schlafarchitektur

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